Mach dich locker: Der schnelle Weg zu einem fast perfekten Leben

Jelle Hermus (Übers. I. Ostermann), LEO Verlag, 2018, 304 S.

© 2018, LEO Verlag

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Jelle Hermus ist ein niederländischer Blogger, so um die 35 Jahre alt. Er betreibt den Blog ‘soChicken.nl’ (auf Niederländisch), der Tipps verspricht, wie man sein Leben in kleinen Schritten immer angenehmer macht.  

Gesammelte Blog-Einträge

Ich vermute, das Buch ist die strukturierte Zusammenstellung der Blog-Einträge, habe das allerdings (mangels Sprachkenntnissen) nicht überprüft. Im Buch zeigt Hermus seinen Weg zu einem glücklichen Leben. In seiner Definition dreht sich das um Freiheit, Freude und Erfüllung. Zu jedem dieser drei Elemente bringt Hermus Hinweise und Beispiele, wie man diese Ziele erreichen kann. 

Die Ausbrüt-Methode

Seinen bevorzugten Weg dazu nennt er die ‘Ausbrüt-Methode’. Sie basiert auf den drei Prinzipien: ‘setz auf das richtige Nest, brüte nur die besten Eier aus, und brüte intelligent, aber nicht verbissen’. Das heißt konkret geht es immer wieder darum, einfache, offensichtliche Lösungen für Probleme des Alltags zu finden, und diese Schritt für Schritt umzusetzen.

Freiheit

Zum Beispiel dient die Ausbrüt-Methode dazu, Freiheit zu erreichen. Dafür soll man sich von allem physischen Ballast in seinem Leben trennen. Konkret: aufräumen und wegwerfen. Hermus preist hier einen gewissen Minimalismus – je leerer die Wohnung desto grösser die Freiheit. Ebenso mit der Befreiung von Zeitfressern: Fernsehen, Apps und alle übrigen Zeitfresser soweit wie möglich de-installieren und abschaffen und so Zeit gewinnen für das Wesentliche – wie zum Beispiel bereichernde Begegnungen mit guten Freunden. Marie Kondo lässt grüßen.

Freude

Zur Steigerung der eigenen Freude gilt es nach Hermus, sein Glück selbst in die Hand zu nehmen. Man beschließt, den ‘Schalter umzulegen‘, und glücklich sein zu wollen. Dann entdeckt man die Einfachheit des Glücks: ‘Sein ist das Einzige, was man tun muss’. Gemäß der Methode der kleinen, offensichtlichen Schritte integrieren wir dafür Dankbarkeit und Achtsamkeit in unseren Alltag; Yoga und Meditation sind ebenso hilfreich.

Erfüllung

Für den Weg zur eigenen Erfüllung geht es schließlich darum, die eigene Endlichkeit anzunehmen. Dass man lebt, spürt man am besten, wenn die Grenzen des Lebens wahrnimmt. Die eigene Vergänglichkeit gehört dazu. Aber auch das Austesten der eigenen Grenzen, indem wir immer wieder unsere Komfortzone verlassen – Dinge tun, die wir uns bisher nicht getraut haben.

Den Endpunkt dieses Weges zum Glück sieht Hermus im Übergang vom Streben (nach immer mehr für uns selbst) zum Beitragen (für unsere Mitmenschen). Wenn wir rückhaltlos geben ohne auf unseren eigenen Vorteil zu schielen, werden wir zum Licht und zur Liebe für unsere Mitmenschen.  

Doch nicht ganz so locker

So weit der Blogger Jelle Hermus. Was machen wir jetzt damit? Das Buch kommt in Titel, Aufmachung und Schreibe tatsächlich ziemlich locker daher. Aber das täuscht. Geht man mit Hermus den Weg zum Glück zu Ende, würde das für die meisten von uns unser gesamtes Leben vollständig umkrempeln. Allen unnützen Krempel wegwerfen, dankbar und achtsam sein, Liebe für alle – das klingt schon toll, für alle, die sich trauen. Ich persönlich würde wahrscheinlich erstmal mit einer kleineren Nummer beginnen.

Es scheint mir auch, dass Hermus ein junger und erfolgreicher selbständiger Blogger ist, der gern seine Einsichten mit uns teilt. Doch was machen die, die in familiären, beruflichen oder sozialen Zwängen stecken? Die sich nicht so einfach von allem befreien können und die nicht so einfach ihr Leben umstellen können, ohne dabei in ihrem Umfeld große Verwerfungen zu riskieren?  Oder die einen Ballast aus der eigenen Vergangenheit nicht einfach abwerfen können?

Die Mischung ist neu

Und dann noch ein vielleicht etwas akademischer Einwand. Vieles, was Hermus vorschlägt und mit Beispielen aus dem eigenen Leben belegt, ist nicht neu. Referenzen zu den Quellen seiner Einsichten fehlen jedoch. Einige Elemente des propagierten Weges sind in der Positiven Psychologie umfassend erforscht. Für den Umgang mit eigenen Emotionen und den Aufbau von Distanz in der Selbstwahrnehmung kommt zudem Harvard-Professorin Susan David (‘Emotionale Beweglichkeit’) in den Sinn. Andere Elemente, zum Beispiel Vegetarismus, andere Lebewesen nicht verletzen, Liebe für alle, scheinen mir eng mit buddhistischen Konzepten verwandt. Aber eine Diskussion von spirituellen Ansätzen oder eine Abgrenzung dazu präsentiert Hermus nicht.

Jelle folgen – oder auch nicht

Jelle Hermus hat seinen Weg zum Glück gefunden und, anscheinend, schon ein gutes Stück darauf zurückgelegt. Jede möge für sich entscheiden, ob sie ihm folgen will und inwieweit das Buch dabei hilft. Insgesamt für mich ein Buch, das ein bisschen im Schafspelz daher kommt, aber zu tiefem Nachdenken über Sicht auf das eigene Leben einlädt. Am eigenen Beispiel zeigt Hermus, wie weit ein solch konsequentes Nachdenken führen kann.

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