Widerstand zwecklos

— wie unser Leben leichter wird, wenn wir es annehmen, wie es ist

Andreas Knuf, Kösel, 2018, 192 S.

© Kösel, 2018

Für Andreas Knuf gibt es schon mehr als genug Glücksratgeber, die uns erklären, wie wir in nur wenigen Schritten heraus aus der aktuellen Unzufriedenheit und hinein ins eigene Glück finden. Eine ganze Industrie bietet Bücher, Seminare, Coachings oder Therapien zu Themen wie der Optimierung unserer Beziehungen und unserer Arbeitswelt ebenso wie unseres inneren Glücksgefühls. Stets geht es darum, Sichtweisen oder Handlungen zu verändern und der Perfektion näher zu kommen.

Knuf sieht das anders. Im Mittelpunkt steht für ihn nicht die kraftraubende Überwindung von Hindernissen auf dem Weg zum Glück, sondern die Annahme dessen, was ist. In seiner Praxis als Psychotherapeut legt er den Schwerpunkt seiner Arbeit mehr auf Emotionen als auf den Verstand, auch im Sinn der Acceptance and Commitment Therapy, die grundsätzlich mit der Annahme auch unerwünschter Gefühle beginnt.

Leid = Schmerz + Widerstand

Grundsätzlich gilt: Bevor man Dinge und Situationen verändern kann, muss man sie erst einmal angenommen haben. Die Nicht-Akzeptanz von Situationen und das Verneinen von den damit verbundenen Gefühlen verstärken die Probleme nur. Dabei können schwierige oder schmerzhafte Verhältnisse durchaus nach Veränderung rufen. Nur gelingt eine Veränderung eben letztlich nur durch eine Annahme der Situation. Widerstand und Nicht-Annahme erzeugen nur zusätzliches Leid. Leid = Schmerz + Widerstand, sagt Knuf.

So helfen Schmerzmittel zwar zur Linderung akuter Probleme. Auf die Dauer bringt diese Art von Widerstand aber keine Lösung, vielmehr verfestigen sich die schmerzauslösenden Strukturen und am Ende droht vielleicht sogar eine (ungewollte) Abhängigkeit. Zusätzlich zum ursprünglichen Schmerz entsteht auch noch Vermeidungsleid. Das gleiche gilt für oberflächliche Strategien zum Umgang mit schwierigen Situationen in Beruf oder Privatleben. Für eine Lösung gilt es, zunächst die Ursache des Schmerzes zu verstehen und anzunehmen. Erst dann kann man an der Lösung arbeiten.

Annehmen bedeutet nicht gutheißen

Dabei stellt Knuf klar, dass Annehmen keineswegs mit einem Gutheißen oder Schönreden zu verwechseln ist. Zur Annahme gehört die schonungslose Akzeptanz der Realität und der damit verbundenen Gefühle wie Angst, Scham oder Wut. Und es gehört auch dazu, die Grenzen der möglichen Veränderungen zu akzeptieren. Das Verhalten von Chefs, Kollegen und (meistens) auch dem Partner wird man nicht komplett ändern können.

Wirklich alles annehmen?

Doch muss ich nun alles annehmen, was ich über eine schwierige Situation in Beruf oder Privatleben denke? Hier unterscheidet Knuf zwischen Tatsachen und Bewertungen. An den Tatsachen führt kein Weg vorbei. Doch bei den eigenen Bewertungen ist Vorsicht angebracht. Oft beruhen solche Bewertungen auf verinnerlichten Glaubenssätzen, die nicht hilfreich sind. Wer zum Beispiel sich stets abwertet und unterlegen fühlt, wird auch eine neue Krise als Beleg für die eigene Minderwertigkeit einstufen. Solche — oft aus der Kindheit übernommenen — Muster gilt es zu erkennen und kritisch zu überprüfen. Schließlich beschreiben sie nicht Tatsachen sondern Einschätzungen, die man längst nicht unverändert für alle Zeiten beibehalten muss.

Vollständig im Hier und Jetzt

Dieser Ansatz zwingt auch, die Situation im Hier und Jetzt zu betrachten. Grübeleien darüber, was hätte sein können oder was man selbst hätte tun können sind letztlich nur eine Flucht aus der Realität. Solche Grübeleien und damit verbundene Schuldgefühle helfen nicht bei der Lösung. Am Ende läuft der Abschied vom Grübeln und von unrealistischen Phantasien darauf hinaus, sich auch mit eigenen Fehlern und Unvollkommenheiten anzunehmen.

Akzeptanz passiert wie die Stille

Wenn all diese Störungen aus Beschönigungen, inneren Glaubenssätzen und willkürlichen Bewertungen wegfallen, ist der Weg zur Akzeptanz frei. Sie tritt ein wie die Stille – nicht dadurch, dass man willentlich aktiv wird (und damit eher mehr Lärm erzeugt), sondern dadurch, dass man alle Störgeräusche weglässt. Knuf betont hier die Bedeutung von Selbstmitgefühl. Den eigenen kritischen Gedanken und Selbstvorwürfen trete man wie ein guter Freund gegenüber – annehmend und nicht verurteilend. Aus der freundschaftlichen Zusage können dann neue Grundüberzeugungen und Lösungskompetenzen wachsen.

 

Insgesamt gibt Andreas Knuf hier einen Leitfaden für den besonnenen Umgang mit Krisen und Veränderungen. Bevor man, wie andere Autoren, mit aller Energie auf neue Ziele zusteuert, sollte man sich Klarheit verschaffen über die eigene Situation und die eigenen Gefühle, aber auch mögliche Fehlurteile. Mit diesen Erkenntnissen erscheinen dann die mannigfaltigen Glücksversprechungen in einem anderen Licht.

Previous
Previous

„Ich bin am Ende!“ – aktuelle Beiträge zum Thema Burnout

Next
Next

Zweimal berufliche Veränderung