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„Ich bin am Ende!“ – aktuelle Beiträge zum Thema Burnout

Vollständige körperliche und seelische Erschöpfung, persönliche Entfremdung, dramatischer Verlust an Leistungsfähigkeit – das sind die klassischen Merkmale der Volkskrankheit Burnout. Die Betroffenen brauchen Hilfe. Auf die Frage, wer er sei, antwortet ein Klient von Helen Heinemann unter Tränen: „Ich bin … am Ende!“ Die folgenden zwei Ratgeberbücher können hier durchaus nützlich sein.

Vollständige körperliche und seelische Erschöpfung, persönliche Entfremdung, dramatischer Verlust an Leistungsfähigkeit – das sind die klassischen Merkmale der Volkskrankheit Burnout. Dabei handelt es sich hier gar nicht um ein klar abgegrenztes diagnostisches Krankheitsbild. Eher ist es wohl ein typisches Zusammentreffen von Symptomen, für die die genauen Ursachen und empirisch validierte Therapien noch im Dunkeln liegen. Doch der Burnout liefert auch ein Schlagwort, unter dem sich diese oft job-bezogenen Probleme ohne Stigma aussprechen lassen. Gleichwie, die Betroffenen brauchen Hilfe. Auf die Frage, wer er sei, antwortet ein Klient von Helen Heinemann unter Tränen: „Ich bin … am Ende!“ Die folgenden zwei Ratgeberbücher können hier durchaus nützlich sein.

Burnout praxisnah

Ferdinand Jaggi, Lehmanns, 2021, 4. Aufl., 124 S.

©Lehmanns, 2021

Ferdinand Jaggi, praktizierender Internist, geht das Problem aus der Sicht des Mediziners an. Für die Diagnose eines Burnouts bietet er in seinem Buch Standardfragebögen samt Auswertungen an, zum Beispiel den weit verbreiteten MBI Test. So kann jeder sein eigenes Burnout Risiko in etwa abschätzen. Für die genaue Einschätzung braucht es dann aber professionelle Hilfe.

Corona-Pandemie und Burnout

Ein großer Teil des Buches widmet sich dem Thema Vorbeugung. Jaggi betont, dass es insbesondere die inneren Einstellungen sind, die uns vor Burnout schützen– unabhängig von der Arbeitsbelastung. Dazu gehört zum Beispiel, das Erkennen eines Sinnes in der eigenen Arbeit, ein grundsätzlicher Optimismus sowie die Pflege von sozialen Beziehungen auch außerhalb der Arbeit. Die letzten beiden Elemente wurden zweifellos durch die Corona-Pandemie besonders betroffen. Quarantäne und Isolation untergraben Optimismus und soziale Kontakte – und damit ist auch das Burnout-Risiko in dieser schwierigen Zeit gestiegen.

Tagebuch der Belastungen

Als konkrete Maßnahme zur Prävention empfiehlt Jaggi insbesondere die geschärfte Wahrnehmung. Ein stetiges ‚Immer Mehr‘ an Aufgaben und Erwartungen kann allmählich und unbemerkt das Burnout-Risiko erhöhen. Es gilt daher, die Warnzeichen zu erkennen. Das sind oft körperliche Symptome, wie Kopfschmerzen, Verspannungen und Magenprobleme. Schlaflosigkeit und beständiges Grübeln über die eigene, scheinbar zunehmend ausweglose Situation verschlimmern alles. Diese Anzeichen gilt es wahrzunehmen und richtig zu deuten, noch bevor es zur Krise kommt. Ein Tagebuch kann helfen. Hier hält man die Belastungssituationen und die damit verbundenen Gefühle fest. Auf diese Weise lassen sich immer wiederkehrende Muster hinter den eigenen Problemen erkennen. Das wäre der erste Schritt, einen möglichen Abwärtstrend früh zu stoppen.

Therapie durch Sinn-Erfahrung

Für die Therapie spielt nach Jaggi die Arbeit an den inneren Einstellungen und Glaubenssätzen eine entscheidende Rolle. Die Betroffenen müssen den Sinn ihrer Existenz wieder neu ergründen und erfahren, denn die Selbst-Definition über immer mehr Leistung führt in den Abgrund. Und Jaggi nimmt Sinn-Erfahrung ganz wörtlich: es geht darum, den Menschen wieder Zugang zu ihrer Selbst-Wahrnehmung durch die Sinne zu verschaffen. Sie müssen sich und ihre Umwelt wieder sehen, hören, riechen, schmecken und – ganz besonders – fühlen. Dann werden sie auch wieder ‚selbst-bewusst‘. Und können aufhören, nur für ihre Arbeit oder für andere zu funktionieren.

 

Warum Burnout nicht vom Job kommt – die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1

Helen Heinemann, HarperCollins, 2019, 2. Aufl., 224 S.

Helen Heinemann erläutert ihre Empfehlungen anhand einer Vielzahl von Fallstudien aus ihrer praktischen Erfahrung als Psychotherapeutin mit Spezialisierung auf Burnout. Wie im Buchtitel angedeutet sieht sie gar nicht eine überhohe Arbeitsbelastung als Ursache für einen Burnout. Statt dessen liegt in ihrer Sicht, ähnlich wie bei Jaggi, die Ursache vielmehr in den verinnerlichten Glaubenssätzen der Betroffenen.

Burnout-Risiko: Stets alle Erwartungen erfüllen

Nach Heinemann entsteht ein Burnout-Risiko immer dann, wenn Menschen nicht angemessen Nein sagen können. Mit anderen Worten, Mann oder Frau geben alles, um von außen herangetragene Erwartungen zu erfüllen. Das kann bei der Arbeit sein, wo ein fordernder Chef immer neue Aufgaben zuteilt. Das kann aber ebenso in der Familie passieren, wo Ansprüche der Partner und der Kinder immer weiter wachsen. Oft kommt beides zusammen, und die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit sind schnell erreicht.

Das Nein als Stufe der Persönlichkeitsentwicklung

Die Unfähigkeit, Nein zu sagen, ist nach Heinemann oft Folge eines geschwächten Selbstwertgefühls. Sie gibt das Beispiel von Kindern und Jugendlichen. Zweijährige Kinder und 15-jährige Jugendliche haben in aller Regel keinerlei Probleme, ihren Eltern und Bezugspersonen ein klares Nein entgegenzuschleudern. Gern auch, wenn die Anfrage sachlich begründet ist und durchaus höflich vorgetragen wird. In beiden Fällen ist das Nein ein wichtiger Entwicklungsschritt – ein erster Schritt der Lösung des Kindes aus der elterlichen Abhängigkeit oder ein letzter Schritt der Abgrenzung des Jugendlichen auf dem Weg zum selbständigen Erwachsenen. Und in beiden Fällen erfolgt das Nein auf der Sachebene ohne die Befürchtung, dafür gleich komplett aus der Familie ausgeschlossen zu werden. Voraussetzung für ein gesundes Nein auf der Sachebene ist eine stabile und belastbare Beziehung auf der persönlichen Ebene.

Nein sagen kann man lernen

Wo dieses Vertrauen schwach ist oder fehlt, führt das Nein auf der Sachebene automatisch zu der Angst vor dem Verlust der Zugehörigkeit zur Familie, zum Arbeitsumfeld oder zum sozialen Umfeld. Deshalb findet Heinemann auch ein erhöhtes Burnout-Risiko bei Menschen, die sich weit von ihrem ursprünglichen Familienumfeld entfernt haben, etwa durch Wahl eines komplett neuen Berufsfeldes oder auch durch räumliche Trennung. Die steigende Angst, in einem fremden Umfeld nicht angenommen zu werden, alarmiert den Selbsterhaltungstrieb. In dieser Situation steigt das Risiko, jeden weiteren Arbeitsauftrag vom Chef anzunehmen. Und jede weitere Erwartung aus Familie und sozialem Umfeld zu erfüllen. Und so weiter. Bis es nicht mehr geht.

Daher müssen Burnout-Vorbeugung und -Therapie bei den persönlichen Glaubenssätzen beginnen. Wer seinen Lebenssinn erkannt hat und sich seiner selbst bewußt ist, kann auch lernen, nein zu sagen.

 

Der Kern des Problems

Heinemann und Jaggi gehen das Burnout-Thema aus unterschiedlichen Richtungen an. Hier die erfahrungsbasierte Psychologin, dort der praktische Arzt mit dem medizinischen Dreiklang aus Diagnose, Prävention und Therapie. Trotzdem sind sie sich bei der Bedeutung der Sinn-Frage und des Selbst-Bewußtseins für das Burnout-Risiko sehr einig – Burnout entsteht im Inneren. Die äußeren Arbeitsbedingungen können lediglich als Auslöser dienen. Und da die beiden Bücher mittlerweile in der zweiten (Heineman) bzw. vierten Auflage (Jaggi) erschienen sind, spricht einiges dafür, dass hier tatsächlich der Kern des Problems liegt.

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Widerstand zwecklos

Für Andreas Knuf gibt es schon mehr als genug Glücksratgeber, die uns erklären, wie wir in nur wenigen Schritten heraus aus der aktuellen Unzufriedenheit und hinein ins eigene Glück finden. Knuf sieht das anders. Im Mittelpunkt steht für ihn nicht die kraftraubende Überwindung von Hindernissen auf dem Weg zum Glück, sondern die Annahme dessen, was ist.

— wie unser Leben leichter wird, wenn wir es annehmen, wie es ist

Andreas Knuf, Kösel, 2018, 192 S.

© Kösel, 2018

Für Andreas Knuf gibt es schon mehr als genug Glücksratgeber, die uns erklären, wie wir in nur wenigen Schritten heraus aus der aktuellen Unzufriedenheit und hinein ins eigene Glück finden. Eine ganze Industrie bietet Bücher, Seminare, Coachings oder Therapien zu Themen wie der Optimierung unserer Beziehungen und unserer Arbeitswelt ebenso wie unseres inneren Glücksgefühls. Stets geht es darum, Sichtweisen oder Handlungen zu verändern und der Perfektion näher zu kommen.

Knuf sieht das anders. Im Mittelpunkt steht für ihn nicht die kraftraubende Überwindung von Hindernissen auf dem Weg zum Glück, sondern die Annahme dessen, was ist. In seiner Praxis als Psychotherapeut legt er den Schwerpunkt seiner Arbeit mehr auf Emotionen als auf den Verstand, auch im Sinn der Acceptance and Commitment Therapy, die grundsätzlich mit der Annahme auch unerwünschter Gefühle beginnt.

Leid = Schmerz + Widerstand

Grundsätzlich gilt: Bevor man Dinge und Situationen verändern kann, muss man sie erst einmal angenommen haben. Die Nicht-Akzeptanz von Situationen und das Verneinen von den damit verbundenen Gefühlen verstärken die Probleme nur. Dabei können schwierige oder schmerzhafte Verhältnisse durchaus nach Veränderung rufen. Nur gelingt eine Veränderung eben letztlich nur durch eine Annahme der Situation. Widerstand und Nicht-Annahme erzeugen nur zusätzliches Leid. Leid = Schmerz + Widerstand, sagt Knuf.

So helfen Schmerzmittel zwar zur Linderung akuter Probleme. Auf die Dauer bringt diese Art von Widerstand aber keine Lösung, vielmehr verfestigen sich die schmerzauslösenden Strukturen und am Ende droht vielleicht sogar eine (ungewollte) Abhängigkeit. Zusätzlich zum ursprünglichen Schmerz entsteht auch noch Vermeidungsleid. Das gleiche gilt für oberflächliche Strategien zum Umgang mit schwierigen Situationen in Beruf oder Privatleben. Für eine Lösung gilt es, zunächst die Ursache des Schmerzes zu verstehen und anzunehmen. Erst dann kann man an der Lösung arbeiten.

Annehmen bedeutet nicht gutheißen

Dabei stellt Knuf klar, dass Annehmen keineswegs mit einem Gutheißen oder Schönreden zu verwechseln ist. Zur Annahme gehört die schonungslose Akzeptanz der Realität und der damit verbundenen Gefühle wie Angst, Scham oder Wut. Und es gehört auch dazu, die Grenzen der möglichen Veränderungen zu akzeptieren. Das Verhalten von Chefs, Kollegen und (meistens) auch dem Partner wird man nicht komplett ändern können.

Wirklich alles annehmen?

Doch muss ich nun alles annehmen, was ich über eine schwierige Situation in Beruf oder Privatleben denke? Hier unterscheidet Knuf zwischen Tatsachen und Bewertungen. An den Tatsachen führt kein Weg vorbei. Doch bei den eigenen Bewertungen ist Vorsicht angebracht. Oft beruhen solche Bewertungen auf verinnerlichten Glaubenssätzen, die nicht hilfreich sind. Wer zum Beispiel sich stets abwertet und unterlegen fühlt, wird auch eine neue Krise als Beleg für die eigene Minderwertigkeit einstufen. Solche — oft aus der Kindheit übernommenen — Muster gilt es zu erkennen und kritisch zu überprüfen. Schließlich beschreiben sie nicht Tatsachen sondern Einschätzungen, die man längst nicht unverändert für alle Zeiten beibehalten muss.

Vollständig im Hier und Jetzt

Dieser Ansatz zwingt auch, die Situation im Hier und Jetzt zu betrachten. Grübeleien darüber, was hätte sein können oder was man selbst hätte tun können sind letztlich nur eine Flucht aus der Realität. Solche Grübeleien und damit verbundene Schuldgefühle helfen nicht bei der Lösung. Am Ende läuft der Abschied vom Grübeln und von unrealistischen Phantasien darauf hinaus, sich auch mit eigenen Fehlern und Unvollkommenheiten anzunehmen.

Akzeptanz passiert wie die Stille

Wenn all diese Störungen aus Beschönigungen, inneren Glaubenssätzen und willkürlichen Bewertungen wegfallen, ist der Weg zur Akzeptanz frei. Sie tritt ein wie die Stille – nicht dadurch, dass man willentlich aktiv wird (und damit eher mehr Lärm erzeugt), sondern dadurch, dass man alle Störgeräusche weglässt. Knuf betont hier die Bedeutung von Selbstmitgefühl. Den eigenen kritischen Gedanken und Selbstvorwürfen trete man wie ein guter Freund gegenüber – annehmend und nicht verurteilend. Aus der freundschaftlichen Zusage können dann neue Grundüberzeugungen und Lösungskompetenzen wachsen.

 

Insgesamt gibt Andreas Knuf hier einen Leitfaden für den besonnenen Umgang mit Krisen und Veränderungen. Bevor man, wie andere Autoren, mit aller Energie auf neue Ziele zusteuert, sollte man sich Klarheit verschaffen über die eigene Situation und die eigenen Gefühle, aber auch mögliche Fehlurteile. Mit diesen Erkenntnissen erscheinen dann die mannigfaltigen Glücksversprechungen in einem anderen Licht.

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Zweimal berufliche Veränderung

Hier kommen zwei Bücher, die sich mit Sinnfragen und Neuausrichtung vornehmlich im beruflichen Umfeld beschäftigen: 1) Entdecke dein Wofür — Der Weg zu einem Leben, das wirklich deins ist; 2) Kopf aus dem Sand — Erste Hilfe für unruhige Zeiten und berufliche Sackgassen.

Hier kommen zwei Bücher, die sich mit Sinnfragen und Neuausrichtung vornehmlich im beruflichen Umfeld beschäftigen.

Entdecke dein Wofür — Der Weg zu einem Leben, das wirklich deins ist

Ali Mahlodji, Gräfe und Unzer, 2020, 224 S.

© Gräfe und Unzer, 2020

Mit vierzig Jahren kann Ali Mahlodji auf einen beeindruckenden Lebensweg zurückblicken. Als Kind iranischer Regimeflüchtlinge startet er als Stotterer und schulischer Underperfomer ins Leben. Nach (Abend-)Schulabschluss und Studium folgt eine steile Karriere im IT Sektor. Doch die endet jäh mit einem Burnout. Mahlodji verwirklicht einen alten Traum und wird Lehrer. Nebenbei gründet er die erfolgreiche Internetplattform ‚whatchado‘, die Karrierefragen Jugendlicher und Karriereangebote von Unternehmen in unterhaltsamer Weise zusammenbringt. Heute ist Mahlodji zusätzlich als Coach, Berater und Redner unterwegs – für Manager und Führungspersönlichkeiten ebenso wie für Schüler. Sein zentrales Motto: Geh Deinen eigenen und unverwechselbaren Weg für ein erfülltes Leben. Er hat es ja mit seinem eigenem Leben vorgemacht.

Anleitung zum erfüllten Leben

„Entdecke dein Wofür“ ist Mahlodjis Anleitung zu diesem erfüllten Leben. Ausgehend von der Frage nach dem Sinn geht es über Aspekte der Selbstfindung hin zu konkreten Anregungen und Ideen, das Leben nach den selbst gesetzten Maßstäben in die Hand zu nehmen. Beispiele aus Mahlodjis eigenem Leben illustrieren die Anregungen und lockern das Ganze auf. Dabei liegt der Fokus im Wesentlichen auf Berufsfragen, persönliche Lebensentscheidungen kommen am Rande vor.  

Lebenslange Suche nach dem Sinn

Zur Frage nach dem Sinn beruft sich Mahlodji auf das Konzept des Ikigai. Das Ikigai beinhaltet den Lebenssinn oder das Lebensglück in der japanischen Kultur. Besonders wichtig ist dabei, dass es jedem Individuum selbst aufgegeben ist, dieses persönliche Ikigai zu suchen. Diese Suche kann langwierig sein und Rückschläge erleiden. Es ist wichtig, auch lange Phasen der Ungewissheit auszuhalten – denn die Suche kann ein Leben lang dauern.

Bei der Suche nach Sinn treffen wir auch immer wieder auf Menschen, die diese Beschäftigung belächeln oder in der Tat für ‚sinn-los‘ halten. Nach Mahlodji können diese –  zunächst vielleicht lästigen – Menschen unsere „besten LehrerInnen“ sein. Denn sie zeigen uns gerade die Stellen auf, wo wir uns verändern wollen.  Wer mehr zu diesem Thema sucht, insbesondere zu der Frage, warum gerade manche Menschen uns höchst effektiv von unserem Sinn fernhalten können, schaue bei Robert Betz unter dem Begriff „Arsch-Engel“.

Nimm Dir einen Zettel

Nach der Sinnfindung geht es an die eigentliche Arbeit. Wie bringe ich den Lebenssinn, den ich für mich erkannt habe, ins richtige Leben? Mahlodji schlägt eine Reihe von Schritten vor: zunächst gilt es, Hemmnisse aus Denkweisen der Vergangenheit loszulassen, dann die Vision eines erfüllten Lebens zu entwickeln und schließlich diese Vision in die Tat umzusetzen. Für all diese Schritte hat der Autor konkrete Anregungen und Übungen zur Umsetzung parat. In vielen Fällen empfiehlt Mahlodji, Überlegungen und Ziele schriftlich festzuhalten. „Nimm Dir einen Zettel und schreib .. “ ist die Aufforderung am Beginn zahlreicher Übungen.

Für die Verarbeitung der Vergangenheit, etwa, empfiehlt Mahlodji, Briefe an die Eltern und an andere wichtige Personen aus früheren Lebensphasen zu verfassen. In diesen Briefen sollen alle Gefühle der Dankbarkeit aber auch alle Verletzungen festgehalten werden. Ob man diese Briefe dann tatsächlich abschicken will, bleibt jedem selbst überlassen. Wichtig ist, diese Gedanken und Gefühle einmal geordnet zu Papier zu bringen. Denn nur dann kann man sie loslassen. Ein Mittel, wie es auch von der Glücksforschung empfohlen wird. Hier erzählt Mahlodji auch eindringlich, wie er erst allmählich die empfundenen ‚Versäumnisse und Verfehlungen‘ seiner Eltern zu akzeptieren und letztlich zu schätzen gelernt hat.

Der eigene Nachruf

Wer sich auf diese Weise von der Vergangenheit gelöst hat, kann befreit nach vorn schauen. Eine schöne Übung, die Vision vom erfüllten Leben besser in den Griff zu bekommen, ist, seinen eigenen Nachruf auf das erträumte erfüllte Leben zu schreiben. Auf diese Weise können wir festhalten, was wir genau unter Erfüllung verstehen. Und das für jeden Lebensbereich, beruflich, in der Familie, bei Hobbies und in bezug auf Freunde und mögliche ehrenamtliche Tätigkeiten.

Weil so ein Nachruf in der Regel noch recht allgemein ist, geht es im nächsten Schritt darum, die eigenen Träume ganz konkret und im Wortsinn zu be-schreiben. Wenn die Träume konkret formuliert sind, kann man sie sich täglich vor Augen halten und sich so immer wieder motivieren. Mahlodji erzählt von den eigenen Träumen, an deren Verwirklichung er nie zu glauben gewagt hätte: z. B. ein eigenes Unternehmen zu gründen oder – als ehemaliger Stotterer –  vor vielen Menschen frei zu sprechen. Jeden Morgen hat er auf die Liste seiner Träume geschaut und sie dann nach und nach umgesetzt.

Ein Vertrag auf die Zukunft

Damit die Dinge dann auch wirklich ins Rollen kommen, empfiehlt der Autor, mit sich selbst und unter Zeugen einen Vertrag zu schließen – natürlich wieder schriftlich. Darin sind die Ziele und die wichtigsten Schritte zu ihrer Umsetzung festgehalten. Und die Zeugen sind aufgefordert, jederzeit mit ihrer Vertragskopie zu wedeln und die Umsetzung einzufordern. Hoffentlich sind die Beziehungen zu unseren Zeugen ausreichend belastbar, damit sie auch nach der dritten Ermahnung noch an unseren festen Willen zur Umsetzung glauben.

Überhaupt spielt für Mahlodji die Unterstützung durch Freunde und Bekannte eine große Rolle für das Erreichen der Lebensziele. Er propagiert, seine Ziele und Wünsche so weit wie möglich öffentlich zu machen – denn darüber erhalten wir wichtige Rückmeldungen, Anregungen und Unterstützung. Zweifel oder das Risiko, sich lächerlich zu machen, muss man dafür in Kauf nehmen.

Kopf aus dem Sand — Erste Hilfe für unruhige Zeiten und berufliche Sackgassen

Tom Diesbrock, Campus, 2021, 246 S.

© Campus Verlag, 2021

Berufliche Wechsel sind auch Tom Diesbrock nicht unbekant, wenn auch nicht gar so dramatisch wie bei Ali Mahlodji. Zunächst mit einem Medizinstudium gestartet, fand er über kreative und soziale Jobs schliesslich zur Psychologie und arbeitet heute als Psychotherapeut und Coach mit einem Schwerpunkt auf Probleme des beruflichen Übergangs.

Auf der Grundlage seiner Ausbildung und seiner Erfahrung als Berater kommt er zu einem ganz ähnlichen Schema für eine erfolgreiche berufliche Neuorientierung: Es gilt, sich die eigenen Ressourcen bewusst zu machen, alte und hinderliche Denkmuster der Vergangenheit abzulegen, neue Visionen zu entwickeln und dann mit konkreten Schritten zur Veränderung zu starten.

Alles schriftlich und strukturiert

Wie Mahlodji, und vielleicht stärker noch, betont Diesbrock, alle Ideen, Gedanken und Pläne schriftlich festzuhalten. Nur so kann aus Wünschen und Träumen ein echter Wandel entstehen. Und da, wo Mahlodji vielleicht etwas ungenau bleibt, gibt Tom Diesbrock ganz konkrete Anweisungen, wie diese effektive Planung für einen beruflichen Wechsel aussehen kann – bis hin zur Grösse der zu verwendenden Notizbögen (DIN A3).

Wichtig ist Diesbrock insbesondere ein strukturiertes Herangehen an die Aufgabe des beruflichen Wechsels: eine klare Diagnose der aktuellen Situation ist der Ausgangspunkt. Das schliesst die Frage ein, welche Ängste und Befürchtungen einen vor dem erträumten Wechsel zurückschrecken lassen. Ein Schönreden gibt es bei ihm nicht – wenn das Job-Pferd tot ist, heisst es abzusteigen.

Mit Mindmaps zur Vision

Die künftige Vision entsteht dann auf den Ressourcen der Vergangenheit – welche Werte und Interessen habe ich, welche Fähigkeiten und Erfahrungen bringe ich mit und welche muss ich noch erwerben? Zentrales Hilfsmittel sind Mindmaps – grosse Notizbögen, die reichlich Platz für die Entwicklung von Ideen bieten. Diese werden gut sichtbar an Wände und Türen des ‚Kontrollzentrums zur beruflichen Veränderung‘ geklebt und unterstützen so Motivation und Kreativität. Wo Mahlodji den Rückblick auf eine gelungenes Leben (Stichwort: eigener Nachruf) als visionäres Hilfsmittel empfiehlt, rät Diesbrock, sich einen konkreten Tag in der erträumten Zukunft, z. B. heute in zehn Jahren, vorzustellen und den Traum so in Form zu giessen. Am Ende dürften die so entstandenen Bilder einander recht ähnlich sein.

Fünf Optionen

Schliesslich entwickelt Diesbrock fünf Optionen für einen beruflichen Wechsel – von einer begrenzten Veränderung des aktuellen Jobs bis hin zu einer vollständigen beruflichen Neuorientierung. Die Auswahl der besten Option bleibt dem Klienten überlassen. Erst wenn diese grundsätzliche Entscheidung getroffen ist, geht es an die Schritte zur Umsetzung – weiterhin strukturiert und zielorientiert. Zunächst wird ein ideales aber konkretes Job-Profil entwickelt. Erst dann erst prüft man, was machbar ist und welche Hindernisse oder Beschränkungen vielleicht eine Anpassung des Ideals verlangen.

Übrigens legt Diesbrock, ebenso wie Mahlodji, grossen Wert auf Freunde und Bekannte, die den Wechselprozess unterstützen sollen. Ein freundschaftliches und dabei realistisches Feedback auf Ideen und Pläne ist mehr Wert als stundenlanges Grübeln im stillen Kämmerlein.

 

Fazit: Diesbrock und Mahlodji als Helfer für Veränderung

Für Diesbrock ist der erfolgreiche berufliche Wechsel das Ergebnis eines Prozesses, der Struktur und Arbeit verlangt. Wie in jedem grösseren Projekt braucht es konkrete, detaillierte Pläne, die auch äussere wie innere Hemmnisse und Rückschläge berücksichtigen. Und dann braucht es eine solide Ausdauer, sie umzusetzen. Wer das Programm von Diesbrock konsequent durcharbeitet und die Übungen ernst nimmt, findet vielleicht nicht direkt seinen Traumjob. Auf jeden Fall lernt er oder sie aber eine Menge darüber, wie man eine solche Aufgabe professionell angeht. Und am Ende auch über sich selbst.

Dagegen liegt bei Mahlodji der Schwerpunkt mehr auf der Motivation zur Veränderung und weniger auf den Details des Prozesses. Was dem Autor mit seinem Leben gelang, sollen alle schaffen können. An manchen Stellen richtet er sich wohl eher an jüngere Leser auf der Suche nach ihrer Berufung, aber nützlich sind seine Gedanken für alle. Dabei basieren die Ratschläge erklärtermaßen nicht auf Erkenntnissen aus Theorie und Wissenschaft, aber sie sind auch nicht weit vom etablierten Mainstream entfernt. Insbesondere ist die Sinnfrage ein zentraler Bestandteil der Literatur zur Glücksforschung. Auch Mahlodjis Ansatz gibt keine Erfolgsgarantie für ein geglücktes Leben. Aber sein eigenes Lebensbeispiel gibt Hoffnung, dass es einen Versuch wert sein könnte.

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